Hochland

Am Firth of Moray

Black Isle ist Teil der zerklüfteten Küste. Unser Wohnmobil steht am Wasser mit Blick auf den Moray Firth, einen Nordseefjord, der bis Inverness reicht. Am Strand vor dem Leuchtturm eine Gruppe Delphin-Beobachter. Der Himmel ist weit und blau und bewölkt, das Meer ist grau und blau und leuchtet in der Sonne. Alles gleichzeitig. Schottisches Schachbrett-Wetter. Gelber Ginster verströmt intensiven Duft, süßlich, erinnert an Honig. Wetterfeste Urlauber laufen in kurzen Hosen am Strand entlang.
Sonnenschein weckt uns, doch warm ist es nicht. Der Wind fegt über den Firth. Ich gehe gleich duschen, wer weiß, wo wir heute Abend landen. Frühstück mit Blick aufs Wasser. Dann heißt es einpacken und Töpfe, Gläser, Flaschen und alles, was noch so lose rumsteht und -liegt, klappersicher zu verstauen. »Das Geschepper macht mich verrückt«, sagt Thomas später beim Fahren, wenn wir etwas übersehen haben. Wir entleeren die Toilette und füllen Wasser auf.
Wir umfahren den Cromarty Firth, es geht weiter nach Norden. Im großen Supermarkt an der Autobahn kaufen wir ein und packen Kühlschrank und Vorratskisten voll. Wir sind gerüstet für die Wildnis!
Sutherland und Caithness heißen die beiden nördlichen Grafschaften Schottlands. Auf schmalen Straßen geht es durchs Hochland. Die anfangs noch bewaldeten Hügel weichen bald kargen Bergen, die dicht bewachsen sind mit Heide und Ginster. Im Mai sind die Hänge gelb, wenn im Sommer die Heide blüht, schimmern sie violett.
Beeindruckender Ausblick auf den Durnoth Firth vom Struie Hill Viewpoint. (Google sagt uns, wo wir halten sollen.) Entlang des Firth nach Bonar Bridge und dann nach Lairg, einem Dreh- und Angelpunkt in dieser menschenleeren Gegend.

Hier beginnt die Single Track Road nach Altnaharra (Das ist ein Ort mit einem Hotel, einem Hostel und das war’s.), wo wir übernachten wollen. Der Campingplatz liegt weiter draußen am Loch Naver. Es ist kaum Verkehr, doch hin und wieder donnert ein Lastwagen vorbei. Sobald wir ein Auto entgegenkommen sehen, bleiben wir an einer Ausweichstelle stehen. Wieder ein Hochplateau, dann entlang des Loch Naver bis zum Camping Altnaharra. (Loch heißen die langgezogenen Seen, die aus der Eiszeit stammen.) Um uns herum einsame, karge Berge. Das Wetter wechselt schnell. In einem Moment schießt der Regen in spitzigen Tropfen herab, im nächsten strahlt alles, als sei die Welt neu erschaffen.
Die Landschaft ist wild und karg und der Campingplatz, den ich am Tag vorher gebucht habe, ist es auch. (Hier gibt es keine Facilities, also Waschräume und Toiletten, nur eine Entleerung für die Chemietoilette.) Wir stehen direkt am Loch Naver und Regen und Sonne wechseln sich ab. Die Aussicht ist herrlich. Schottischer geht es nicht. Ich laufe am Wasser entlang, während Thomas kocht. (Was kocht man so auf zwei Gasflammen? Vielleicht Nudeln mit Tomatensoße und der guten Dosenwurst von unserem heimischen Bauern. Oder Bauernpfanne à la Thomas mit Babykartoffeln, Paprika, Tomaten und Würstchen. Oder Gulasch-Eintopf. Die Möglichkeiten sind erstaunlich vielfältig.) Später fotografieren wir noch einen Regenbogen. Morgens schwimmen Menschen im Wasser, andere laufen in kurzen Hosen rum. Ich hole unsere Winterjacken raus.

Wo stehen wir?
Rosemarkie –Camping and Caravanning Club Site
Altnaharra Club Campsite

Fortsetzung in Kürze als ebook bei amazon erhältlich


Früher Start

Im Hafen von Calais

Lange bevor es hell wird, ist für uns die Nacht zu Ende. Es ist der sechste Mai, um halb drei klingelt der Wecker, um vier sitzen wir im Auto und die Fahrt beginnt. Dieses Jahr reisen wir mit dem Camper – das Motorrad bleibt in der Garage. Wieder geht’s nach Schottland, wir wollen hoch hinauf in den Norden auf die Orkney Inseln.
Die Fähre Calais–Dover ist gebucht, wir sollen rechtzeitig da sein wegen zusätzlicher Kontrollen infolge des Brexits, schrieb die Fährgesellschaft.
Früh starten lohnt sich, schnell kommen wir durch alle Baustellen nach Karlsruhe und weiter in den Pfälzerwald. Es dämmert. Wir machen Kaffeepause in Annweiler. In Pirmasens wird es hell, dann kommt Saarbrücken und wir sind in Frankreich. Metz, Reims, St. Quentin, Arras, Calais. Die Fahrt auf der französischen Autobahn ist entspannt und wir erreichen frühzeitig den Hafen.
Die Wartezeit überbrücken wir mit Einkaufen im Duty-Free-Shop. Ich bin stark erkältet, eigentlich reif fürs Bett. Der Corona-Test zum Glück negativ. Nach ein paar Tagen in Great Britain ist kaum mehr etwas davon zu merken.
Die Fähre spuckt unzählige LKWs aus, bevor sie uns und die Mitreisenden aufnehmen kann. Die Fahrt über den Kanal ist ruhig und die Kreidefelsen von Dover empfangen uns festlich leuchtend in der Sonne.
Ein Hochgefühl stellt sich ein. Wir haben es geschafft, wir sind nach zwei vergeblichen Anläufen wieder in Großbritannien und auf einer längeren Reise.
Wenn man den Hafen in Dover verlässt, gelangt man zu zwei mehrspurigen Roundabouts, wie die Kreisverkehre hier heißen. Jetzt heißt es, links fahren; drive left, look right. Wir sind auf einer schmalen Straße entlang der Küste.

Erste Nacht in UK mit Blick auf den Ärmelkanal

Der Campingplatz von Kingsdown ist eine Wiese auf einem Hügel über dem Meer nahe bei Dover. Wir stehen abschüssig, doch dank der Auffahrkeile rollen wir in der Nacht nur wenig zur Seite. Der Blick aufs Meer ist schön und die Briten schlendern in kurzen Hosen und Shirts über den Platz, während wir warme Jacken brauchen. Die Kinder ein tobendes Knäuel auf der Wiese, neben uns ein Vater mit dreien davon.
Wir haben einen weiten Weg vor uns, deshalb heißt es zwei Tage lang Autobahn fahren. Am Abend des ersten kommen wir nach North Yorkshire, wo wir den Van bei einem Pub abstellen können.
Das Konzept BritStops beinhaltet kostenfreie Übernachtungsplätze, wenn man die örtlichen Angebote nutzt, also zum Beispiel im Lokal isst. Das machen wir gerne. Die britischen Pubs sind heimeliger Wohnzimmerersatz, das Pub-Food schmeckt uns gut und die Pints auch.
Also schlafen wir die zweite Nacht in England zwischen Schafweiden in Yorkshire. Frühstück gibt’s im Pub leider nicht, aber in einem »Diner« in der Nähe konsumieren wir das erste englische Frühstück (Full english breakfast). Weiter geht’s auf der A66 nach Schottland.
Gretna Green ist der Grenzort, wenn man von Carlisle gen Norden fährt. Da traute der Blacksmith die Paare, die durchgebrannt waren, weil ihre Heirat aus welchen Standesgründen auch immer nicht möglich war. Heiraten kann man heute noch in der ehemaligen Schmiede und viele schottische Souvenirs kaufen.
Wir fahren immer weiter nach Norden. Kurzer Halt am weißen Blair Castle – direkt neben dem Schloss liegt ein großer Campingplatz – und in Carrbridge bei den Cairngorms, wo wir vor ein paar Jahren ein schönes Haus gemietet hatten.

Wo stehen wir?
Kingsdown Camping
Rokeby Inn, Richmond, North Yorkshire